Sein Darf

Es ist okay, wenn alles okay ist. Es ist auch okay, wenn es nicht okay ist

„Es ist okay, wenn alles okay ist. Es ist auch okay, wenn es nicht okay ist.“

Das war der Input, den unser Kyūdō-Lehrer der Gruppe bei unserem wöchentlichen Training dieses Mal gab. Im Dojo spielt es keine Rolle, wie viele Jahre wir schon praktizieren, jeder von uns hat etwas, an dem er arbeiten kann: Technik, Haltung, "Einheit“, der spirituelle Aspekt der Praxis... Es scheint, dass jeder immer etwas hat, für das er kämpfen muss.
Es ist deshalb eine solche Erleichterung, wenn ich mir sagen kann: „Es ist okay, wenn es nicht okay ist.“ Das verschafft mir zusätzlichen Raum zum Atmen und einen gelasseneren Blick auf die Dinge.

Nach der Schulung ging die ganze Gruppe wie üblich in ein Restaurant, um zu Abend zu essen. Ich habe nicht viel gegessen, aber ich hatte zwei Flaschen Bier. Ich wusste schon, als ich die zweite Flasche bestellte, dass es zu viel sein würde. Aber die Stimmung war so gut, weil wir uns freuten, uns nach den Feiertagen wiederzusehen. In der Nacht bekam ich ausnahmsweise Durst und musste aufstehen, um etwas Wasser zu trinken... Dann blieb ich wach. Zuerst versuchte, mich wieder zum Schlafen zu zwingen, dann kam mir in den Sinn: „Es ist ok, wenn alles ok ist. Es ist auch okay, wenn es nicht okay ist.“ Es ist okay. Hör auf, dich zu etwas zu zwingen.
Ich schlief wieder ein.


Oft kommen Menschen in meine Praxis mit einem medizinischen Bericht, stellen mir Fragen und wollen Antworten aus Sicht der chinesischen Medizin. Die meisten von ihnen sind besorgt, gestresst von einem Wert, die auf einem Papier steht... „Es ist okay, wenn es okay ist. Es ist auch okay, wenn es nicht okay ist.“ Ich möchte damit nicht sagen, dass man alles passiv geschehen lassen und ungeachtet der Probleme weitermachen soll. «Okay» heisst: zulassen und akzeptieren können, Raum haben, um ausatmen, sich sammeln und neu beginnen zu können. Wenn wir nach einem medizinischen Test abnormale Ergebnisse erhalten oder Symptome feststellen, die uns ein ungutes Gefühl geben, bringt es nichts, sich dagegen zu wehren. Wenn wir es akzeptieren, können wir die Situation in einer reflektierenden Weise betrachten und sehen, was getan werden könnte, was geändert werden muss – so wie die Wolken, die an diesen grauen Tagen an uns vorüberziehen und sich dabei ständig wandeln. Auf diese Weise finden wir möglicherweise einen anderen Weg.


Eine Freundin rief mich an. Wir haben lange geredet. Am Ende sagte ich: Denk dran, es ist okay, wenn alles okay ist, es ist auch okay, wenn es nicht okay ist. Wir haben gelacht. Heute Morgen, während des Frühstücks, bemerkte ich, dass ich in den Kerzenschein starrte, in Gedanken an die Herausforderung dieser Tage versunken.

„Pling!“, eine SMS kam rein. Von eben dieser Freundin:„Guten Morgen, meine Liebe! Nochmals vielen Dank für das Gespräch gestern Abend. Ich wünsche dir einen mehr als guten Tag. Und denk daran: Es ist okay, wenn alles okay ist. Es ist auch okay, wenn es nicht okay ist ;)“

Was für eine schöne Erinnerung!