Stehen wie ein Baum

ZhanZhuang

Der Baum steht fest verwurzelt da, in der Ferne die schneebedeckten Berge im Nebel – diese Landschaft hat mich so berührt, in dieser sonntagfrühen Morgenstille.

Die Bäume sind Bilder, auf die ich oft verweise, wenn ich mit Klient*innen in der Praxis zusammen Qigong-Übungen mache. Bildhaftes Denken ist ein wesentliches Element der klassischen chinesischen Medizin. Wir nutzen Erkenntnisse und Ereignisse aus dem Leben, um zu erklären, dass der Mensch ein Teil der Natur ist. Der energetische Zustand im menschlichen Körper ist permanent in Bewegung. In Bildern gesprochen ist die ideale menschliche Energie – das Qi – wie ein lebendiger Baum, mit tiefen, starken Wurzeln, einem festen, durchgängigen Stamm und einer leichten, lichten Krone.
Heutzutage gehört es zu unserem Lebensstil, viele Informationen zu konsumieren. Wir denken zu viel und verspüren dabei Emotionen. Geschieht dies über einen längeren Zeitraum, steigt unser Qi auf und verursacht Kopfschmerzen, rote, müde Augen, Nackenverspannungen oder -schmerzen, Husten, Asthma, Engegefühl in der Brust, Aufstossen oder Luft im Bauch. Aus Sicht der klassischen chinesischen Medizin sind dies Anzeichen eines «rebellierenden» Qi. Dies geht oft einher mit kalten Füssen, und – bei betagten Menschen – mit Ödemen an den Beinen. Die Durchblutung im unteren Teil des Körpers ist geschwächt.

Gegen diesen Zustand hilft, ZhanZhuang, eine Übung, die ich meinen Klient*innen häufig empfehle:

ZhanZhuang: Stehen wie ein Baum
- Erinnere dich an einen schönen Baum, dem du einmal begegnet bist und den du bewundert hast, und stell dich vor, du stündest ihm gegenüber.
- Deine Füsse stehen schulterbreit auf dem Boden, die Oberschenkel leicht nach innen gedreht, die Beine entspannt.
- Stelle dir eine Schnur vor, die (wie bei einer Marionette) auf dem Scheitel deines Schädels angebracht ist. Diese unsichtbare Schnur richtet dich auf und bringt dich in die richtige Haltung, damit der zentrale Energiekanal offen und durchgängig ist.
- Entspann deine Knie ein wenig, um Spannungen in den Beinen zu vermeiden.
- Beide Arme liegen entspannt seitlich am Körper an.
- Am Anfang kannst du die Augen schliessen und später leicht öffnen, schaue dabei gerade in Richtung Horizont, ohne ihn zu fixieren.

Sei einfach präsent und ruhig, lass den Atem natürlich fliessen.

Übungsdauer: idealerweise 20 Minuten oder noch länger. Es ist aber auch sinnvoll, zwischendurch – zum Beispiel während eines Telefongesprächs – drei Minuten wie ein Baum zu stehen.


Wie soll ich während ZhanZhuang mit dem Strom an Gedanken umgehen?
Die Gedanken kommen und gehen wie die Wolken. Du nimmst sie wahr, aber deine Gedanken sollten nicht daran hängenbleiben.

Viel Spass beim Üben. Und ich würde mich freuen, eines Tages Feedback von Dir zu hören.
Liebe Herbstgrüsse
Heya